Ist es legitim, mit Rüstungsaktien Gewinne zu machen?
Die vielzitierte Zeitenwende brachte unter anderem mit sich, dass die Rüstungsindustrie zur echten Boombranche wurde. Wer rechtzeitig in entsprechende Aktien investierte, kann sich jetzt über ein dickes Plus auf dem Konto freuen. Die Rheinmetall-Aktie zum Beispiel hat ihren Wert seit Beginn des Ukraine-Krieges rund verfünfzehnfacht, allein das erste Quartal 2025 reichte aus, um seinen Einsatz zu verdoppeln.
Auch andere Wertpapiere in der lange geächteten Branche haben atemberaubende Aufstiege verzeichnet.
Nur: Ist es legitim, mit Rüstungsaktien Gewinne zu machen? Geht es in Ordnung, als eigentlich friedliebender Mensch in Rüstungskonzerne zu investieren? Ist es, ungeachtet der Kursgewinne, möglicherweise sogar so, dass wir gerade in diesen Zeiten solche Wertpapiere kaufen sollten oder sogar müssten?
Inhalt
Das Ende des Hypes um Nachhaltigkeit
Bis vor Kurzem standen andere Fragen im Raum. Die großen Trends bei der Geldanlage waren die Themen Ethik und Nachhaltigkeit. Wo immer möglich, vergaben die Finanzhäuser ein ESG-Label, um so Unbedenklichkeit in Sachen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Geschäftsführung (Governance) zu bescheinigen.
Die Werbeprospekte für Fonds zeigten bunte Fotos mit Windrädern und versprachen, mit dem investierten Geld die Welt ein kleines bisschen zu verbessern.
Nachhaltigkeit in der Geldanlage verbindlich zu definieren, ist zwar nicht so einfach. Aber zumindest ein gemeinsamer Nenner war schnell gefunden. So soll der Bau von Waffen nicht finanziert werden. In der Folge mieden nicht nur Anleger die einschlägigen Aktien.
Auch die Banken wollten den Rüstungsunternehmen keine Kredite gewähren und die Versicherungen keine Policen ausstellen. Besonders schwer fiel das nicht. Schließlich bot diese Randindustrie kein nennenswertes Geschäftspotenzial.
Das große Umdenken setzte wahrhaftig über Nacht ein, nämlich in der Nacht auf den 24. Februar 2022. Seit die Aufrüstung wieder salonfähig und die Abschreckung notwendig ist, erleben Militärausrüster aller Art einen Boom und die Aktienkurse sind, um im Bild zu bleiben, regelrecht explodiert.
Banken bieten Finanzierungen der Zeitenwende an und Finanzinvestoren beteiligen sich rege an Sicherheitstechnik.
Die Fonds-Werbeprospekte für Kleinanleger zieren nun anstelle von Windrädern Militärdrohnen und das Versprechen lautet, die europäische Verteidigung umzugestalten.
Freiheit nur mit Rüstung
Es gibt sogar schon Bestrebungen, Rüstungsaktien für nachhaltige Investmentfonds zuzulassen. Zur Begründung heißt es, dass die geopolitischen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit dazu geführt haben, dass die Notwendigkeit, in die europäische Verteidigung zu investieren, anders eingeschätzt wird.
Um die nationale und regionale Sicherheitspolitik bereitstellen zu können und damit auch die wirtschaftliche und soziale Stabilität zu stärken, braucht es einen soliden Verteidigungssektor.
Die Idee ist, dass Abschreckung dazu dient, den Frieden und die Freiheit zu erhalten. Das sind immerhin höchste Werte. In diesem Sinne ist Sicherheit die Grundlage aller Nachhaltigkeit.
Am Stammtisch hingegen gestaltet sich die Debatte weit bodenständiger. Dort freuen sich auf der einen Seite Anleger über ihr kluges Investment und rechnen stolz vor, wie sich ihr Kapitaleinsatz vermehrt hat.
Dem stehen auf der anderen Seite diejenigen gegenüber, die moralische Bedenken äußern und auf die Opferzahlen pro Waffe verweisen.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht gibt es wenig zu deuteln. Europas Regierungen wollen das Militär stärken, sich dabei aber nicht von US-Lieferanten abhängig machen.
Deshalb wird der Großteil der bereitgestellten Milliarden in europäische Firmen fließen und angesichts der geringen Konkurrenz in einem hochspezialisierten Sektor sollten auch die Gewinnmargen attraktiv sein.
Ein profitables Wachstum scheint demnach auf absehbare Zeit gesichert. Das haben auch die Börsen längst erkannt.
Klare Verhältnisse
Wer sich der Argumentation zur Sicherheit nicht anschließt, sondern auf die Ethik der Gewaltfreiheit setzt, tut sich mit der Entscheidung nicht schwer. Bei vielen anderen bleibt einfach ein schaler Beigeschmack.
Denn den Bildern aus Kriegsgebieten, die Leid, Zerstörung und eben auch Todesopfer zeigen, können wir uns nicht entziehen.
Trotzdem steht heute eine andere Frage im Raum: Was brauchen wir, um Bedrohungen zu verhindern und Angriffe abzuwehren?
Es geht nicht darum, eine Nachfrage zu schaffen und Waffen in Hände zu geben, in die sie nicht gehören. Es geht auch nicht darum, dass sich plötzlich jeder bis an die Zähne bewaffnet. Die Zeitenwende hat vielmehr für klare Verhältnisse gesorgt.
So ist die Rüstungsindustrie aus der Grauzone in die Öffentlichkeit getreten. Sie steht auf offener Bühne, ist Gegenstand von Diskussionen und unterliegt einer Kontrolle. Nato-Staaten mit strengen Regeln und klaren Zielen sind ihre Kunden.
Natürlich sind wir damit von einer heilen Welt weit entfernt. Aber die Idee, dass eine Industrie bei Bedarf liefern und ansonsten in der Versenkung verschwinden soll, kann nicht funktionieren.
Für viel Transparenz sorgt auch die Börse. Noch nie zuvor wussten wir so gut über die Rüstungsunternehmen Bescheid. Denn die Regeln der Börse verpflichten dazu, Daten und Fakten umfassend offenzulegen.
Als Anleger können wir jetzt alles Interessante nachlesen, angefangen bei der Art und der Menge der produzierten Güter über die Aufträge, die Geschäftspartner und die Geschäftsstrategien bis hin zu den Gewinnen und den erwarteten Entwicklungen.
Persönliche Abwägung
Ob wir an den Entwicklungen mitverdienen wollen, muss jeder für sich selbst entscheiden. Wir können zu dem Ergebnis kommen, dass Deutschland eine gut ausgestattete und vor allem einsatzfähige Bundeswehr braucht und gewinnorientierte Rüstungsunternehmen mit schnellen, innovativen und effizienten Lieferungen dazu beitragen.
Was spricht dann dagegen, dies zu unterstützen, Kapital zu investieren und eben am Gewinn teilzuhaben? Zumal wir als Steuerzahler sowieso an der Finanzierung beteiligt sind.
Aber wir können auch zu der Erkenntnis kommen, dass Umsätze entstehen, wenn Raketen, Granaten und Patronen abgefeuert werden, und Kursgewinne voraussetzen, dass es Kriege oder zumindest handfeste Bedrohungen gibt.
Wollen wir dazu mit unserem Investment einen Beitrag leisten?
Die Abwägung bleibt eine persönliche Sache. Doch es gibt noch einen anderen Aspekt. So sind Rüstungsaktien inzwischen sehr hoch bewertet, man könnte fast von einem Hype sprechen.
Dazu kommt, dass die Marketingmaschinerie auf Hochtouren läuft. Als Ersatz für den ausgelaugten Nachhaltigkeitstrend kreiert die Finanzbranche in Windeseile neue Anlageprodukte und überschüttet Investoren regelrecht mit Anlagetipps.
Doch damit sich die Kosten, die jetzt schon anfallen, am Ende tatsächlich rechnen, müsste die Verteidigungsindustrie eine ganze Zeit lang so gute Geschäfte machen, wie sie derzeit erwartet werden.
Ob das so sein wird, steht in den Sternen. So gesehen ist die Frage, ob es legitim ist, mit Rüstungsaktien Gewinne zu machen, keine Frage, die wir sofort für uns beantworten müssen.
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Thema: Ist es legitim, mit Rüstungsaktien Gewinne zu machen?
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