Ist die Marktwirtschaft überreguliert? Teil II

Ist die Marktwirtschaft überreguliert? Teil II

„Wenn Märkte keine Grenzen haben, ufern sie aus.“ Diese Ansicht vertreten viele Wirtschaftswissenschaftler:innen. Aber wann wird eine sinnvolle Regulierung zu einer Überregulierung? Wie weit sollte die staatliche Kontrolle gehen? Hat der deutsche Staat die Grenzen möglicherweise schon überschritten, sodass unsere Marktwirtschaft längst überreguliert ist?

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Ist die Marktwirtschaft überreguliert Teil II

Solchen Fragen gehen wir in einem zweiteiligen Beitrag nach. Hier ist Teil II!:

Gut gemeinte Ansätze

Natürlich ist es immer ein Stück weit auch eine subjektive Einschätzung, was überreguliert ist und was nicht. Bei Befürwortern einer starken staatlichen Kontrolle wird die Liste deutlich kürzer sein als bei Personen mit einer marktliberalen Einstellung.

Aber schauen wir uns ungeachtet aller politischen Schemata ein paar Beispiele an:

Bei Lieferungen ins EU-Ausland müssen deutsche Unternehmen durch die sogenannte Gelangensbestätigung in Textform nachweisen, dass ihre Waren tatsächlich beim Abnehmer angekommen sind. Dadurch entsteht ein zusätzlicher Arbeitsaufwand.

In vielen Berufen besteht ein Ausbildungszwang, der den Zugang zu Arbeitsplätzen vor allem in den unteren Einkommensschichten unnötig erschwert. Hinzu kommt, dass die Ausbildungsordnungen zum Teil schon so alt sind, dass die Ausbildungsinhalte den heutigen, realen Arbeitsabläufen nur bedingt gerecht werden. Statt die einzelnen Verordnungen nach und nach zu überarbeiten, wäre sinnvoller, nur einen Rahmen vorzuschreiben, der allgemeiner gefasst ist.

Einige Arbeitgeber unterliegen einer Meldungs- und Dokumentationspflicht, durch die sie die Arbeitszeiten bestimmter Mitarbeiter genau erfassen müssen, um belegen zu können, dass der gesetzliche Mindestlohn eingehalten wird. Auch wenn die Verordnung überarbeitet wurde, bleibt ein Bürokratieaufwand, der nicht sein müsste.

Das Ladenschlussgesetz soll Beschäftigte im Einzelhandel vor überlangen und sozial ungünstigen Arbeitszeiten schützen. Aber unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern führen zu einem Ungleichgewicht. In grenznahen Regionen kaufen Verbraucher zudem im EU-Ausland ein, wenn die Geschäfte dort auch an Sonn- und Feiertagen oder sogar rund um die Uhr geöffnet haben.

EU-Handelsnormen, die bei vielen Lebensmitteln die Form, die Größe und die Farbe vorschreiben, haben zur Folge, dass viele Nahrungsmittel nie in den Handel gelangen, obwohl nichts gegen ihren Verzehr spricht.

Die Buchpreisbindung verpflichtet Verlage nach wie vor dazu, für jedes Buch einen unveränderbaren Preis festzulegen, der für Verkäufer wie Buchhandlungen verbindlich ist.

Die regulierenden Eingriffe im Bereich des elektronischen Geldes verkennen das Potenzial zum Beispiel für Steuereinnahmen. Denn während E-Geld der Bankaufsicht unterliegt, zählen etwa Kryptowährungen nicht zum elektronischen Geld.

Auch wenn die genannten Punkte nur sinnbildlich sein können, zeigen sie, dass es Deutschland und die EU mit ihren Regularien mitunter zu gut meinen.

Es steht zwar außer Frage, dass keine Vorschrift nur zum Selbstzweck existiert, sondern stets das Ziel verfolgt, die Bürger in ihrer Rolle als Verbraucher, Arbeitnehmer, Anleger oder Unternehmer zu schützen. Nur schießen einige Regularien so weit übers Ziel hinaus, dass sie am Ende vieles unnötig kompliziert machen.

Regulatorische Maßnahmen in Deutschland und der EU

Fehlende Flexibilität

Viele von uns erinnern sich vermutlich noch an die sogenannte Neuland-Debatte. Sie wurde losgetreten, als die damalige Bundeskanzlerin Merkel in einer Pressekonferenz mit Ex-US-Präsident Obama davon sprach, dass das Internet „für uns alle Neuland“ wäre.

Diese Erklärung erfolgte aber nicht etwa zur Jahrtausendwende, als diese Feststellung sicher gestimmt hätte. Stattdessen fand die Pressekonferenz im Jahre 2013 statt.

Zu diesem Zeitpunkt hatten schon rund 2,7 Milliarden Menschen weltweit Zugang zum Internet. Heute gehen Schätzungen von 5,4 Milliarden Internetnutzern weltweit aus.

Dieses Beispiel zeigt, dass die deutsche Regierung, im Übrigen wie jede andere Regierung auch, wesentlich unflexibler ist als die Märkte.

Bis eine Regulierung, die einen guten und wichtigen Ansatz verfolgt, alle Instanzen aus Ausschüssen, Gremien und Abstimmungen durchlaufen hat und nach der Verabschiedung schließlich in Kraft getreten ist, hat sich die Sachlage in unserer schnelllebigen Zeit womöglich schon massiv verändert.

Das heißt natürlich nicht, dass Gesetze künftig im Schnellverfahren verabschiedet werden sollten. Debatten und gründliche Prüfungen sind notwendig und wichtig.

Aber die Langwierigkeit der Verfahren hat zur Folge, dass so manche Regulierung zum echten Bremsklotz wird.

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Flexibilität und Anpassung in der Regulierung

Grenze zur Bevormundung

Bis hierhin haben wir hauptsächlich Sachverhalte genannt, die in erster Linie Unternehmen, Arbeitgeber und Investoren betreffen. Doch auch der normale Bürger kommt mit Regulierungen in Kontakt, die ihn in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken.

Ein paar Beispiele:

Die sogenannten opferlosen Verbrechen erkennen den Schutz des zugrundeliegenden Rechtsguts mit Mitteln des Strafrechts nicht an, weil es kein Tatopfer im klassischen Sinne gibt. Zu den opferlosen Straftaten gehören unter anderem der Besitz von illegalen Drogen für den Eigenbedarf, die Prostitution im Sperrbezirk, der Inzest oder der Aufenthalt in einem anderen Bezirk als von der Ausländerbehörde zugewiesen.

Die Indizierung von Büchern, Songs, Filmen, Spielen und anderen Medien führt dazu, dass auch der Zugang für Erwachsene erschwert und teilweise sogar unmöglich gemacht wird. Denn weil solche Werke nicht beworben und nur unter strengen Auflagen verkauft werden dürfen, ist der Verkauf unwirtschaftlich. In der Folge verschwinden die Medien oft vom Markt.

Der Umstand, dass für Elektrofahrzeuge wesentlich niedrigere Kfz-Steuern anfallen als für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, verkennt, dass sich viele Personen ein E-Auto schlichtweg nicht leisten können.

Auch bei diesen Beispielen gilt, dass die Ziele der Regularien durchaus schlüssig und nachvollziehbar sind.

Doch im Ergebnis führen die Vorgaben mitunter dazu, dass die Möglichkeit, selbstständig zu entscheiden, eingeschränkt ist.

Auswirkungen von Vorschriften auf die persönliche Freiheit

Bedenkliche Unterregulierung

In Deutschland scheint oft an der falschen Stelle reguliert zu werden. Doch es gibt auch Bereiche, in denen die Tendenz besteht, zu einer bedenklichen Unterregulierung zurückzukehren. Ein Beispiel dafür ist der Finanzsektor, der in der Lage ist, große wirtschaftliche Probleme hervorzurufen.

Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 machte es notwendig, diverse Banken mit Geldern des Bundes zu retten.

Im Nachgang wurden verschiedene Gesetze verabschiedet, die sicherstellen sollten, dass vor allem die Mechanismen der Banken künftig strenger kontrolliert werden, die zur Krise geführt hatten.

Fragen wir einen Banker oder Finanzexperten, wird er vermutlich eine Überregulierung bemängeln. Tatsächlich sind einige Forderungen aber kaum beachtet worden.

Dazu zählt etwa der Zwang zu einer höheren Eigenkapitaldeckung.

Dabei war gerade das einer der Mechanismen, die die Auslöser dafür waren, dass die Immobilienblase platzte und im Dominoeffekt in einer Wirtschaftskrise mündete.

Ist die Marktwirtschaft überreguliert Teil II (1)

Ist die Marktwirtschaft überreguliert?

Kommen wir zu unserer Ausgangsfrage zurück, ob der deutsche Staat zu sehr in die Marktwirtschaft eingreift, muss die Antwort letztlich „Jein“ lauten.

Die große Schwierigkeit für die deutsche Regierung besteht darin, dass sie versuchen muss, es jedem irgendwie recht zu machen, den Verbrauchern ebenso wie der Wirtschaft und den Arbeitnehmern genauso wie den Arbeitgebern.

Dazu kommt, dass die Politik in einer Zeit regiert, die sich schneller und tiefgreifender verändert, als jemals zuvor. Dadurch entstehen neue Fragen und Problemstellungen, die den Regierungsapparat allein schon deshalb in die Bredouille bringen, weil er niemals so schnell agieren und so flexibel reagieren kann wie die Wirtschaft.

In Teilen sind wir überreguliert und es gibt durchaus Bereiche, in denen die Regulierung gelockert werden könnte, ohne Nachteile für die Bürger fürchten zu müssen.

Der Staat muss keine Bedenken haben, dass fehlende Vorgaben an einigen Stellen die Bürger außer Kontrolle geraten lassen. Sorgen muss sich der Staat nur dann machen, wenn ein Berg aus Gesetzen, Vorschriften und Normen die Selbstständigkeit, die Innovationsfreude und die Investitionsbereitschaft unter sich begräbt.

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Armin Stolz, - Finanzberater, Siegmund Taubel, - Investmentbanker, Marina Mekovic, - Aktienanalystin, Isabella Dorant (E-Book Autorin), sowie Christian & Ferya Gülcan , Unternehmer/in, Gründer, VC-, Immobilien- und Kryptoinvestoren, sowie Redakteure und Betreiber dieser Webseite, schreiben hier Wissenswertes, geben Tipps und Ratgeber zu Geldanlagen, Investments und allgemeinen Finanzthemen. Die Inhalte des Informationsangebots, stellen keine Finanzberatung oder Anlageberatung dar - somit ersetzen die Inhalte auch keine persönliche Beratung mit einen Finanzberater oder Steuerberater.

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